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[Rezension] Meike Winnemuth: Das große Los

Wer bin ich,
wenn keiner zuguckt?
(S. 22)

Seltsam. Beim Lesen hat mich das Buch so sehr begeistert, ich habe mir dutzende Stellen markiert, habe Freunde und Kollegen während des Lesens mit meiner Begeisterung zugetextet. Doch jetzt klingen die zahlreichen Zitate einfach nur banal und entsetzlich belanglos. Und nu? Versuche ich es trotzdem…

das große los

Unabhängiger wollte Meike Winnemuth sein. Mehr Geld haben und dadurch flexibler sein. Das waren die Gründe für ihre Teilnahme bei „Wer wird Millionär“. Eine Million hat sie nicht gewonnen, aber auch eine halbe Million war mehr als erwartet. Was wird sie mit dem Geld machen, wird sie gefragt. Ihre Antwort: Ein Jahr lang woanders leben. Jeden Monat in eine neue Stadt ziehen, ein neues Land.

Sydney, Buenos Aires,
Mumbai, Shanghai,
Honolulu, San Francisco,
London, Kopenhagen,
Barcelona, Tel Aviv,
Addis Abeba, Havanna.

Zwölf völlig unterschiedliche Städte in zwölf unterschiedlichen Ländern. Von ihren Erlebnissen erzählt in Form von Briefen. Jeden Monat schreibt sie einen Brief, an Freunde, Verwandte, einmal sogar an ihres jüngeres ich. ;)
Ihre Briefe sind humorvoll, aber auch sehr klug. Ich habe mir für das Buch extra viel Zeit gelassen und immer wieder mal einen Brief gelesen, weil es für mich einfach ein Buch ist, das ich lieber schön langsam genieße und über ihre Erfahrungen nachdenken wollte. Untermalt wird das ganze vor Fotos. Außerdem gibt es am Ende der einzelnen Städte immer noch eine Übersicht: „10 Dinge, die ich XY gelernt habe“.

„Jeder Ort
scheint einen
etwas anderen
Menschen aus mir
herauszukitzeln.“
(S. 88)

Die Reise beginnt in Sydney. Weiter geht es kaum und doch gehört Sydney zur westlichen Kultur und bietet sich damit als Einstieg an. Sprachlich gibt es auch keine Probleme und so konzentriert sich Frau Winnemuth erstmal auf das Reisen, vor allem aber das Entdecken an sich. Aber spätestens in Mumbai muss sie feststellen, das sie doch nicht überall auf der Welt leben kann. Mit der indischen Kultur kommt sie schlecht zurecht und die Person, die sie hier sein muss (?) gefällt ihr kein bisschen. Trotzdem hält sie durch. Irgendwie stur und trotzig. Stattdessen beginnt sie, kleine Reiseandenken zu sammeln. Eine Teekanne. Ein Morgenmantel. Sie schafft sich ihre eigenen Rituale. Denn auch das merkt sie, bei aller Fremde sind es die kleinen, vertrauten Dinge, die immer wichtiger werden. Gleichzeitig macht sie aber auch viele Dinge, die auf andere Menschen seltsam wirken. In Sydney lernt sie Ukulele spielen. In London besucht sie einen Stickerei Kurs. Natürlich könnte sie diese Dinge auch in Hamburg lernen, aber andererseits, ist das auch nicht das schöne am Reisen? Sich die Zeit zu nehmen und das zu tun, worauf man gerade Lust hat?

Insgesamt stellt sie die Reise allerdings sehr einfach da. Natürlich reist es sich leichter, wenn man eine halbe Million Euro hinter sich hat. Frau Winnemuth hat aber noch einen weiteren, finanziellen Vorteil, den ich nicht hätte: sie arbeitet von unterwegs aus weiter, schreibt ihre Kolumnen mal aus Buenos Aires, mal aus Tel Aviv. So ist es kein Wunder, das sie unterwegs feststellt, das sie eigentlich den Gewinn nicht gebraucht hätte.

Es gibt nur
die Wahl zwischen
Fernweh und Heimweh,
schmerzfrei
geht es nie ab.“
S. 103)

Vielleicht kommen mir diese ganzen Zitate auch nur deswegen so banal vor, weil sie so banal sind. Weil Frau Winnemuth einfach nur das beschreibt und ausdrückt, was jeder von uns weiß. Nur rennen wir so oft einfach im Hamsterrad, das wir vieles schlicht und einfach vergessen, gerade weil es solchen Selbstverständlichkeiten sind. Aber sind Selbstverständlichkeiten jemals belanglos?
Bevor ich mich hier völlig verheddere, höre ich lieber auf. Lest das Buch doch einfach selbst. ;)

Originaltitel, 2013
Genre: Sachbuch
Umfang: 336 Seiten
Verlag: Knaus
Blog über die Reise: Vor mir die Welt…

5 Antworten auf „[Rezension] Meike Winnemuth: Das große Los“

Ich hatte es auch sehr genossen durch dieses Buch einen anderen Blick auf „die Welt“ – oder genauer auf zwölf unterschiedliche Städte – zu werfen. Und ja, Meike Winnemuth hat einen großen Vorteil dadurch, dass sie ortsunabhängig arbeiten kann. Auf der anderen Seite frage ich mich oft, ob wir uns nicht selber im Weg stehen, wenn wir davon ausgehen, dass so eine Aktion ohne finanzielle Sicherheit oder eben einen solch unabhängigen Beruf nicht möglich wäre. Ich gebe zu, dass ich wahnsinnig werden würde, wenn ich ins Blaue hineinreisen würde. Aber es gibt doch eine Menge Leute, die so etwas erfolgreich durchziehen und ihre Reise ohne allzugroße negative Erlebnisse genießen und durch größere und kleinere Jobs vor Ort finanzieren können.

Ich reise ja gerne, auch gerne einfach so. Aber im Gegensatz zu früher bin ich nach 3 Wochen fertig. Ich mag dann einfach nicht mehr, ich will dann wieder vertraute Dinge um mich herum haben. Vielleicht ist das eine andere Art der Bequemlichkeit, wer weiß?

Irgendwie würde ich wohl auch zurechtkommen, Aber ich müsste mich mehr anstrengen, beweglicher werden. Und dafür bin ich inzwischen recht faul geworden…

Ich schleiche schon seit einer Weile um das Buch herum. Deine Rezension ist so überzeugend, dass ich es auch lesen möchte. Vielen Dank also für die Rezension.

Ich würde mit einer solchen Summe im Rücken sicherlich auch beruhigter Reisen, als ohne. Andererseits glaube ich aber auch, dass man ohne so viel Geld anders reist und dadurch auch noch einmal andere Erfahrungen macht.

LG,
Julia

Ich habe das Buch merkwürdigerweise nie verfolgt, bis eine Kollegin mir davon vorschwärmte. Zum Glück!

Ich denke auch nach einigen Monaten noch sehr gerne an das Buch zurück und ich kann mir gut vorstellen, das ich es demnächst nochmal in die Hand nehmen werde. ;)

Manchmal braucht man einfach jemanden, der einem von einem Buch vorschwärmt, um so richtig auf ein Buch aufmerksam zu werden. Auf diesem Wege ist auch schon das ein oder andere Buch in meinen Besitz gelangt, welches ich sonst eher nicht beachtet hätte.

Dieses hier hab ich mir in der Onleihe schon auf die Merkliste gesetzt.

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